9 Wege, die zu mehr innerer Ruhe im Alltag führen

2022-10-07 22:53:25 By : Ms. judy zhu

Berlin/Leipzig Das Smartphone vibriert, die To-Do-Liste quillt über: Von Gelassenheit kann bei den meisten keine Rede sein. Mit ein paar Tipps lassen sich aber auch im stressigen Alltag Inseln der Ruhe schaffen.

Gelassenheit - bei dem Wort denken viele Menschen an eine Art Flow aus Freiheit, körperlicher und seelischer Entspannung sowie Zufriedenheit mit sich und seiner Umgebung.

Das Streben nach Gelassenheit treibt nicht nur unsere heutige Gesellschaft um, sondern hat eine lange Geschichte.

Doch so richtig greifbar ist Gelassenheit für die meisten Menschen wohl erstmal nicht. Mehr noch: Manchmal kommt das Gefühl auf, sie ist in unserem hektischen und schnelllebigen Alltag unerreichbar. Aber mit etwas Kreativität und ein paar Anregungen können Sie sich immer und überall Inseln der Ruhe schaffen.

Eine feststehende Definition gibt es nicht - und wahrscheinlich fühlt sich Gelassenheit für jeden auch ein bisschen anders an.

Zwei Annäherungsversuche an den Begriff:

1. Bloggerin Jasmin Schindler beschreibt Gelassenheit so: „Sich geistig und körperlich mal nicht an etwas abarbeiten zu müssen. Es einfach gut sein lassen, zufrieden zu sein, mit dem, was man hat.“

Jasmin Schindler hatte Burnout, was sie inzwischen mit Hilfe einer Verhaltenstherapie überwunden hat. Sie bezeichnet sich als Kopfmensch - ständig mit einer inneren To-Do-Liste beschäftigt.

Auf ihrem Blog „Healthy Habits“ nimmt sie Leser mit auf ihrem Weg, gesunde Gewohnheiten in den Alltag zu integrieren. Gelassenheit ist für sie „kein Dauerzustand, sondern eine lebenslange Aufgabe“.

2. Prof. Willi Neumann beschreibt Gelassenheit so: „Ein körperlich und mental entspannter Zustand, ein unaufgeregter Lebensstil.“ Der Psychologe und Psychotherapeut arbeitet im Team Entspannung beim Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen mit.

„Nach innerer Ruhe suchen Menschen schon sehr lange“, sagt Neumann, der auch Lehrer für Gesundheits-Qigong und Stressmanagement ist. Eine Art Urthema - der Morgenspaziergang spielte bereits in der griechischen Philosophie eine Rolle. Meditation hat unter Mönchen eine lange Tradition.

Äußere Faktoren: Im Alltag ist es oft schwer, Gelassenheit zu finden. „Unsere Kultur ist sehr hektisch geworden“, sagt Neumann. Wer sich im Hamsterrad abstrampelt, für den sei Gelassenheit sicher schwierig.

Die Anforderungen in der Arbeitswelt sind zum Beispiel sehr hoch. Aber es sind nicht nur äußere Faktoren, die innere Ruhe erschweren. Auch die eigene Einstellung kann Gelassenheit im Wege stehen.

Innere Faktoren: „Man kann friedlich im Garten sitzen und sich trotzdem über irgendetwas aufregen.“ Schindler nennt ein paar Gründe, die Gelassenheit erschweren oder verhindern:

Manchmal ist es sogar der Wunsch nach Gelassenheit selbst. „Wenn man es sich zum Ziel macht, gelassener zu sein und der Weg dorthin dann zum Punkt auf der To-Do-Liste wird“, so Schindler.

Viele Menschen wollen vieles gleichzeitig:

Hohe Ansprüche erzeugen viel Druck - das Gegenteil von Gelassenheit. „Für viele von uns wäre es schon ein Fortschritt, mehrmals am Tag gelassene Momente zu haben“, sagt Schindler.

Stressige Situationen können Sie bewältigen. Dazu neun Anregungen:

1. Awareness: Machen Sie sich bewusst, was Ihnen gerade durch den Kopf geht, wie angespannt Sie gerade sind, rät Neumann. Welche Gedanken habe ich und wie bewerte ich die? Allein das Bewusstsein darüber ist eine wichtige Voraussetzung für Entspannung und kann schon zu mehr Gelassenheit verhelfen.

2. Übungen: Bestimmte Techniken können dabei helfen, Körper und Geist zu entspannen, so Prof. Neumann.

Beispiele aus der westlichen Welt:

Beispiele aus der östlichen Welt:

Neumann setzt vor allem auf Qigong. „Der Körper wird auf eine sanfte Art und Weise mit einbezogen.“ Die einfachen Übungen stellen einen direkten Kontakt zum Körper her und man merke schnell, wo man verspannt sei.

Aber: „Es gibt nicht ein Verfahren, das für alle passt. Man muss testen, was für einen selbst das Beste ist.“

3. Grounding: Während es bei „Awareness“ um die Wahrnehmung der Gedanken geht, geht es dabei um die körperliche Wahrnehmung.

„Im Stress ist die Atmung flach“, so Neumann. Das bewusst wahrzunehmen und dann möglichst langsam und tief in den Bauch statt nur in die Brust zu atmen, kann stressige Situationen auflösen.

Die Idee des Grounding: In einer stressigen Situation, etwa in der Schlange im Supermarkt oder wenn Sie den Bus verpasst haben, stellen Sie bewusst Kontakt mit dem Grund her und fühlen, wie die Füße den Boden berühren, erklärt Neumann.

4. Hobby: Menschen, denen das Abschalten schwerfällt, empfiehlt Schindler, etwas mit den Händen zu machen: Gärtnern, Kochen, Häkeln. „Etwas, wo der Kopf beschäftigt ist, sodass man sich nicht in Grübeleien verfangen kann.“

Man sollte sich Zeit nehmen herauszufinden, was einem gut tut und wobei man sich entspannt. Die Bloggerin selber treibt gerne Sport und nutzt Bewegung als Stress-Ventil. Das sei aber nicht für jeden das Richtige und sollte kein weiterer Punkt auf der To-Do-Liste werden.

5. Akzeptieren: Wenn ich das geschafft habe, wird es besser - dieser Gedanke sei ein Trugschluss, warnt Schindler. „Es wird immer etwas sein, es kommt immer etwas Neues, es ist nie alles geschafft.“ Das zu akzeptieren und im Hier und Jetzt zu entschleunigen, ist die Lösung.

6. Abstand: Bei Streitigkeiten oder auch Neid - hilft oft die Frage: „Wie wichtig ist das noch in einem Monat oder in einem Jahr?“ So können Sie Situationen gelassener sehen und den nötigen Abstand bekommen, so Schindler. Meistens stressen uns Dinge, über die wir in einem Jahr nicht mehr nachdenken. „Dann kann man das auch abkürzen.“

7. Input verringern: Wenn der Chat oder das Mailpostfach überquillen, kann das stressen. Dagegen hilft ein einfaches Mittel: den Input verringern - etwa nicht für alle Apps Push-Mitteilungen erlauben, rät Schindler. „Wir bekommen auch so genug mit. Man muss es sich nicht noch schwerer machen.“

8. Bewusst abgrenzen: „Abgrenzung ist ein wichtiger Baustein von Gelassenheit“, weiß Schindler. Nein sagen, sich die Erwartungen anderer nicht zu eigen machen - das fällt vielen schwer.

Wichtig sei, sich immer wieder zu sagen: „Deren Erwartungen haben nichts mit mir zu tun. Was die wollen, ist deren Sache. Ich muss die Erwartungen nicht erfüllen.“

9. Ruheinseln schaffen: Orte der Ruhe können zum Beispiel ein Sitzkissen oder ein Sessel sein, wo Sie Zuhause Atemübungen oder eine Meditation machen. „Das ist nicht das gleiche, wie auf der Couch zu sitzen und eine Serie zu gucken“, so Schindler. Das wäre eher Berieselung - also wieder neuer Input.

Ist die Serie vorbei, seien auch die Sorgen wieder da. Wer sich bewusst Auszeiten nimmt, erreicht eine nachhaltigere Entspannung.

Urlaub machen, um sich zu erholen - dieser Gedanke ist weit verbreitet. Aber gibt es Orte, hierzulande oder weltweit, die besonders zum Stressabbau sowie zur Gelassenheit beitragen können?

Und auch mit dem Reisen sei es so eine Sache: „Es reicht nicht, wenn ich zweimal im Jahr Urlaub habe und mich dort entspanne“, betont Schindler. „Das ist nicht alltagstauglich.“